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Zweiter Südbahnhof

Nur etwas mehr als zwei Jahrzehnte nach Eröffnung des 1. Südbahnhofes ("Gloggnitzer Bahnhof") und des 1. Ostbahnhofes ("Raaber Bahnhof") wurde mit der Neuerrichtung bzw. dem Umbau und der Erweiterung der beiden Bahnhöfe begonnen.

Aufgrund der Erweiterung von Fahrtstrecken in den Norden und damit verbundenen technischen und räumlichen Unzulänglichkeiten entschloß man sich zu einem Neubau des Raaber Bahnhofes (Ostbahnhof) an der selben Stelle unter dem Architekten Carl Schumann. Für das bauliche Konzept der gesamten Bahnanlage war Carl von Ruppert verantwortlich. Bauherr war die "Österreichische Staatsbahn-Gesellschaft", die Bauzeit betrug vier Jahre von 1867 – 1870.

Schon damals begann ein Namensverwirrspiel um diesen Bahnhof, das sich bis zum Ende des dritten Südbahnhofes fortsetzen sollte. Der Neubau von 1870 trug anfangs den Namen "Zentralbahnhof der Österreichischen Staatsbahn-Gesellschaft", was nicht ganz zutreffend war, handelte es sich doch nicht um einen Zentralbahnhof, sondern erneut um einen Kopfbahnhof. Für einige Jahre war daraufhin die Bezeichnung "Staatsbahnhof" in Verwendung, bis sich anfang des zwanzigsten Jahrhunderts die Bezeichnung "Ostbahnhof" durchsetzte, was die ausgehenden Fahrtrichtungen nur unzureichend benannte, da ja auch zahlreiche Züge nach Norden über Brünn bis zur polnischen Grenze fuhren.

Die Architektur des 2. Ostbahnhofes war insofern bemerkenswert, da das Ende der Bahnhalle nicht durch das Vorsetzen eines Kopfgebäudes verbaut wurde, sondern in Form einer verglasten Eisenkonstruktion sichtbar blieb. Diese französische Stilkomponente im Bahnhofsbau, die von Ruppert geplant wurde, beruhte möglicherweise auf dem französisch dominierten Vorstand des Bauherrn. Die niedrige Gesamtbauweise des Gebäudes hatte hingegen strategische Gründe: schließlich sollte das Schußfeld der Artillerie vom gegenüber liegenden Arsenal nicht verbaut werden. Dennoch war die Gleishalle zum Zeitpunkt ihrer Errichtung die größte der Monarchie: 166 Meter lang und 40 Meter breit.

Vor allem die rasante Zunahme des Eisenbahnverkehrs in den Süden mit den Zielen Triest, Italien und Kroatien veranlasste die "k.k. priv. Südbahngesellschaft" nicht nur das Streckennetz, sondern auch den Ausgangsbahnhof in Wien zu großzügig zu erweitern. 1869 wurde schließlich mit dem Neubau des 2. Südbahnhofes, unter dem Chefarchitekten der Südbahn, Wilhelm von Flattich, begonnen. Die Errichtung erfolgte an der Stelle des 1. Südbahnhofes, Fertigstellung der Bauarbeiten war 1873/74. Der Bahnbetrieb wurde während der gesamten Umbauzeit aufrecht erhalte, was für die damalige Zeit eine nicht zu unterschätzende logistische Herausforderung bedeutet haben muss.

Die Grundmauern aus 1841 sowie diverse Elemente von Matthias Schönerers Bahnhofgebäudes wurden in den Neubau integriert, ebenso erhalten blieb die Gleisführung auf einem Damm. Der 2. Südbahnhof bildete mit dem bereits fertig errichteten 2. Ostbahnhof und dem Bahnhofsvorplatz ("Ghega-Platz") erneut ein zusammengehöriges Ensemble. Das neue Gebäude wurde im Stil der Neorenaissance ausgeführt und weist mit den Seitentrakten eine Breite von 35,7 Meter aus, rund drei mal so viel wie das alte. Deutlich erkennbar sind Elemente klassizistischer Gestaltungsprinzipien aus Theophil Hansens Ringstraßenbauten, wie z.B. die als Tempelfront ausgebildete Fassade, Kassettendecken oder andere Analogien zu Gebäuden der Ringstraße, wie dem Parlament oder dem Musikverein. Der Süden, die Alpen und das Meer waren in den Anfängen des Reisens die wohl beliebtesten Ziele und so sind in der künstlerischen Ausgestaltung des Bahnhofes auch zahlreiche Motive mit Verweisen auf eine Sehnsucht nach dem Süden nicht zu übersehen.

Den Bahnhof selbst betrat man durch eine äußerst prunkvoll gestaltete, fünf großzüge Fensterachsen breite Kassenhalle, die zusätzlich durch Oberlichten im Dach Licht erhielt. Eine ausladende Stiege, die sich auf halber Höhe teilte, führte in die Bahnhofshalle, die aufgrund der aufgeschütteten Trassenführung nach wie vor erhöht war, sowie zur Bahnhofsrestauration und zahlreichen Nebenräumen. Die dreiachsigen Quergebäude waren straßenseitig mit einem Glasdach verbunden und von steinernen Markuslöwen gekrönt, von denen zwei noch erhalten geblieben sind. Einer von ihnen befindet sich in Laxenburg, der zweite stand in der Kassenhalle des dritten Südbahnhofes.

Der zweite Südbahnhof, der schon bald zum Inbegriff des mondänen Reisens wurde, bestand in dieser Form mehr oder weniger unverändert von 1874 bis 1945 mit Destinationen nach Laibach, Triest und Italien, sowie zahlreichen regionalen Verbindungen bis nach Kärnten, Ost- und Südtirol. Die Anlagen waren während des 2. Weltkrieges zwar Ziel von Bombenangriffen, die Bausubstanz und die stählerne Dachkonstruktion blieben jedoch unbeschädigt, so dass nach Behebung der Schäden der Bahnbetrieb nach 1945 bald wieder aufgenommen werden konnte.

Zweiter Südbahnhof 1875.
Quelle: Wikimedia Commons

Zweiter Südbahnhof 1900.
Quelle: Wikimedia Commons

Zweiter Südbahnhof:
Bahnhofshalle 1874.
Quelle: Wikimedia Commons

Plan, 1900.
Quelle: Wikimedia Commons

Lageplan, 1937.
Quelle: Wikimedia Commons